Betonermüdungen und -schäden infolge von Fugenöffnungsweiten
und Höhenversprüngen der Stahlstege von Stahldehnungsprofilen

1. Vorbemerkungen

Die Tragfähigkeit und ordnungsgemäße Funktionalität von Betonfugenkonstruktionen für Industrieböden sind bekanntlich abhängig von der Profilart, Stahlgüte, Geometrie und Einbindung in den Betonplattenquerschnitt.

Der nachfolgende Beitrag soll dazu dienen, die statischen und nutzungsbedingten Gegebenheiten im Bereich des Stahldehnungsprofils zu erfassen und die Wirkungsweise des Stahldehnungsprofils auf die empfindlichen Betonfugenflanken zu übertragen.

2. Statische Betrachtungen

Die kinetische Bewegungsenergie von Flurförderzeugen induziert neben der Rollreibung durch Rauigkeiten/Unebenheiten (f1) insbesondere horizontale Scherkräfte bei Höhenversprüngen an Betonfugen (vgl. Bild 1).

Bild 1: Lastrad

Höhenversprünge entstehen z.B. durch Aufschüsselungseffekte infolge von Betonschwinden an Betonflanken ohne Querkraftverdübelungen oder ungleichmäßige vertikale Verschiebungen der Betonflanken beim Überqueren mit Flurförderzeugen. Auch bei fehlerhafter Wahl ungeeigneter Stahldehnungsprofile mit entstehenden Höhenversätzen nach dem horizontalen Aufweiten geöffneter Fugenbreiten führen die dann ungleichen Höhen der beidseitigen Stahlkanten zu deren Verbiegungen und Abplatzungen an den angrenzenden Betonflanken.

Kleine Raddurchmesser sind ebenfalls in der Lage, bei entsprechenden Fugenöffnungen infolge von bereits geringfügigen Radeinsenkungen, schädigende Horizontalkräfte auszuüben.

Nachfolgend werden formelmäßige Zusammenhänge hergeleitet, die eine Abschätzung der nachteiligen Horizontalkraft F ermöglicht.

F1= f1* G / r Gl. (1)
r² = f2² + b² Gl. (2)
r = a + b Gl. (3)
f2 = (r² - (r-a)²)^0,5 Gl. (4)

Gleichgewichtsbedingung: Summe der Momente =0

F*b – V*f2 =0 Gl. (5)
R = G = (F² + V²)^0,5 Gl. (6)
F= G (f2² / (f2² + (r-a)²)) ^0,5 Gl. (7)

Die Gleichung (7) erlaubt die Berechnung der Horizontalkraft F in Abhängigkeit von dem resultierenden Gewicht G der Lasträder, dem Radius r der Lasträder und der vertikalen Maßdifferenz a des Höhenversprunges gemäß Bild 1

Die Rollwiderstandskraft F1 nach Gl. (1) errechnet sich annähernd mit f1 ~ 1mm zu
F1= G/r und wird im Folgenden vernachlässigt.

3. Beispielrechnungen

Beispiel 1

Vorgaben
Gesamtgewicht Hochregalstapler: 125 KN
Schwingbeiwert Phi = 1,4
Lastanteil Vorderachse (belastet): 0,9
Radlast G= 1,4 * 0,9 * 125KN / 2 =80 KN
Radius Lastrad r=150mm
Höhenversprung der Stahlstege zueinander a=2mm

Berechnung
f2 = (150² - (150-2)²)^0,5 = 24,4mm
F= 13 KN

Beispiel 2

Vorgaben
Gesamtgewicht Hochregalstapler: 125 KN
Schwingbeiwert Phi = 1,4
Lastanteil Vorderachse (belastet): 0,9
Radlast G= 1,4 * 0,9 * 125KN / 2 =80 KN
r=190mm
a=2mm

Berechnung
f2 = (50² - (50-2)²)^0,5 = 27,5mm
F = 11,6 KN

Beispiel 3

Vorgaben Lastrad in der Fugenöffnung
r=75mm
f2 = 10mm
Fugenbreite 2* f2=20mm

Berechnung
r²= f2² + (r-a)²
Höhenversprung a = r-(r²-f2²)^0,5 = 0,67mm
F = G*0,067

Beispiel 4

Vorgaben Lastrad in der Fugenöffnung
r=30mm
f2 = 10mm
Fugenbreite 2* f2=20mm

Berechnung
Höhenversprung a = r-(r²-f2²)^0,5 = 1,72mm
F= 0,33 G

4. Beanspruchbarkeit der Fugenkonstruktion infolge von dynamischen Horizontalkräften als Druckschwellbelastungen auf den Beton

Auch Fugenkonstruktionen mit Stahldehnungsprofilen sind stets pflege- und wartungsbedürftig. Das zeigen die insbesondere in Fahrgassen von Flurförderzeugen immer wieder entstehenden Abplatzungen der Betonflanken, stellenweise einhergehend auch mit horizontalen Verbiegungen der vertikalen Stahlstege. Nachfolgend soll durch Fallbeispiele quantitativ bewertet werden, inwieweit durch einwirkende, dynamische Horizontalkräfte zwangsläufig Mängel bzw. Schäden an Fugenkonstruktionen entstehen.

Die Betonflanken unterliegen dabei einer Ermüdungsbeanspruchung infolge von Druckschwellbelastungen und in Abhängigkeit von Lastwechselzahlen. Nach Klausen/Weigler „Betonfestigkeit bei konstanter und veränderlicher Dauerschwellbeanspruchung“, Betonwerk + Fertigteil-Technik 45 (1979), H.3, S. 158-163 kann für Normalbeton von einer Quasi-Druckschwellfestigkeit ~ 0,4 fcm ausgegangen werden.

Beispiel 5

Vorgaben (aus Beispiel 1)
Gesamtgewicht Hochregalstapler: 125 KN
Schwingbeiwert Phi = 1,4
Lastanteil Vorderachse (belastet): 0,9
Radlast G= 1,4 * 0,9 * 125KN / 2 =80 KN
Radius Lastrad r=150mm
Höhenversprung der Stahlstege zueinander a=2mm
Betondruckfestigkeit fcm=30 N/mm²
Breite Lastrad 160mm
Stahlstegdicke 6mm
Wirktiefe des anprallenden Lastrades auf den Stahlsteg 6mm*sin30°=3mm
Fugenabstand der Betonfelder 35m

Berechnung
Fugenöffnungsweite 2f2 = 35.000*0,5*2/2*1000 = 17,5mm; f2=17,5/2=8,75mm
Radeinsinktiefe a= a = r-(r²-f2²)^0,5 = 0,26mm
F= 4,7 KN aus Gl. (7)

Wirkfläche des anprallenden Lastrades: Aw = (160+2*3)* 3 = 498mm²Ermüdungsdruckkraft: S= 0,4*fcm*Aw/1.000 ~ 6,0 KNSicherheit gegen Ermüdung: Ym = 6 / 4,7 = 1,3

Bei der Stahlstegdicke von nur 4mm reduziert sich die Wirkfläche Aw auf
Aw= 4*sin30°*(160+2*4*sin30°) = 328mm²
Ermüdungsdruckkraft: S= 0,4*fcm*Aw/1.000 ~ 3,9 KN
Sicherheit gegen Ermüdung: Ym = 3,9 / 4,7 = 0,84

Dauerhaftigkeit ist nicht gewährleistet!

5. Zusammenfassung und Folgerungen

Im Abschnitt 2 konnte unschwer quantitativ gezeigt werden, dass mit entstehenden Höhenversprüngen in den Fugenflanken oder starken Fugenaufweitungen beträchtlich hohe horizontale Scherkräfte F infolge der Nutzung mit Flurförderzeugen eingeleitet werden, die zwangsläufig zu Ermüdungen der Betonflanken führen.

Die quantitativ ermittelten Horizontalkräfte auf den Beton sowie die Folge von Betonabbrüchen und Betonabplatzungen durch Ermüdungen –insbesondere im Bereich von Fahrgassen- decken sich mit den Erfahrungen des Unterzeichners.

Statische Nachweise der Fugenkonstruktion haben eine außerordentliche Wichtigkeit. Diese reichen jedoch zur Beurteilung einer nachhaltigen Dauerhaftigkeit und Gebrauchsfähigkeit allein nicht aus. Die Annahme, dass mit der Einhaltung von Grundregeln in der Fugenkonstruktion ein pflege- und wartungsfreies Bauteil geschaffen wird, wurde in den vergangen Jahren stets widerlegt.

Insbesondere die Wahl von übertriebenen Fugenfeldgrößen fugenarmer Betonsohlplatten führen dann zu nachteiligen Fugenöffnungsweiten mit der Induzierung ungeplanter Schadensmechanismen.

Dieser Beitrag soll auf die Beachtung der richtig zu wählenden planerischen Vorgaben hinweisen.

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© Dr. Jürgen Meyer

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